Brodecks Bericht

Um es vorwegzunehmen: Brodecks Bericht ist kein Wohlfühlroman. Dieses Buch erschüttert und beschämt. Schonungslos realistisch und zugleich überaus poetisch entwirft der französische Autor Philippe Claudel eine Parabel über die dunkle Seite des Menschseins. Und greift auf ein traditionelles Mittel der Sozialkritik zurück: das Motiv des Sonderlings. 

Der Naturkundler Brodeck lebt mit Frau, Kind und Ziehmutter in einem Bergdorf. Als die Männer der Gemeinde einen Zugereisten töten, der durch sein Aussehen und sein Verhalten für Aufruhr gesorgt hatte, beauftragen sie Brodeck, einen entlastenden Bericht für die Behörden zu verfassen. Denn Brodeck hat studiert und besitzt eine Schreibmaschine.

Unter Druck versucht Brodeck, das schreckliche Ereignis zu rekonstruieren. Da er sich zunehmend überwacht und bedroht fühlt, beginnt er aber bald, an einer zweiten, inoffiziellen Niederschrift zu arbeiten. Dabei setzt er sich erstmals mit seiner eigenen Vergangenheit auseinander. Denn auch Brodeck gilt im Ort als andersartig. Zwei Jahre Gefangenenlager liegen hinter ihm – eine traumatische Erfahrung, die die Dorfbewohner zu verantworten haben …

Die Geschichte ließe sich leicht in der deutsch-französischen Grenzregion der 1940er-Jahre lokalisieren. Doch Ort und Zeit wurden bewusst unbestimmt gehalten. Was Claudel beschreibt, hat Allgemeingültigkeit. Es kann sich wiederholen – überall und jederzeit. Brodecks Bericht behandelt universelle Themen wie den Umgang mit Außenseitern, die Suche nach Heimat und die Bedeutung von Erinnerungsarbeit. Genau deshalb sollte dieses Buch in die Liste schulischer Pflichtlektüre aufgenommen werden.

Über den Autor

Philippe Claudel wurde 1962 in Dombasle-sur-Meurthe geboren und ist nicht nur Schriftsteller, sondern auch Filmregisseur sowie Dozent an der Université de Lorraine. Er studierte Literatur und Kunstgeschichte an der Université de Nancy und arbeitete jahrelang als Lehrer in einem Gefängnis. Der internationale Durchbruch gelang ihm mit dem Roman Die grauen Seelen (dt. 2004). Für Brodecks Bericht erhielt er 2007 den Prix Goncourt des lycéens. 

Weitere Informationen:

• Greenhouse, Emily: Philippe Claudel | Interview. 30.06.2010, online unter: https://granta.com/interview-philippe-claudel/ (Stand: 31.03.2025).
• Leidinger, Armin: Philippe Claudel: Die Untat, die jeder begeht. 06.08.2009, online unter: https://www.tagesspiegel.de/kultur/literatur/die-untat-die-jeder-begeht-1775185.html (Stand: 08.04.2025).
• Perlentaucher. Das Kulturmagazin: Philippe Claudel. O. J., online unter: https://www.perlentaucher.de/autor/philippe-claudel.html (Stand: 12.05.2025).